Fast hundert Unterrichtsstunden mehr für das Technische Institut
 

 
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DG-Unterrichtsminister Oliver Paasch: „Ich persönlich würde Jugendlichen in Ostbelgien ein technisches Abitur empfehlen.“


Unter dem thematischen Leitfaden „Technisches Abitur… Ausbildung zwischen Notstand und Perspektive“ hatte das Technische Institut vor zwei Jahren ein öffentliches Diskussionsforum organisiert, das im Unternehmern ACM auf Kaiserbaracke/St.Vith eine Gesprächsrunde von  Fachlehrern, Studenten, Unternehmern und Politikern mit der These konfrontierte: „Sinn und Motivation eines technischen Abiturs… Gerade heute!“

Diese Thematik stellte sich damals (und auch weiterhin) vor dem Hintergrund, dass Schulen wie Betriebe in Ostbelgien bereits seit Jahren über fehlenden qualifizierten Nachwuchs besonders in den elektromechanischen und elektrotechnischen Sparten klagen. Vor diesem Hintergrund drängten sich zwei Fragen auf: Wo liegen die Ursachen für diese alarmierende Entwicklung?
Wie können wir erfolgreich gegen steuern?

Das Forum mühte sich um möglichst konkrete Ansätze für eine breitere Bewusstseinsbildung aus dem Blickwinkel von Schule, Wirtschaft und Politik. Das Technische Institut an der „BS“ St.Vith wollte mit dieser allseits begrüßten Initiative im Rahmen von „25 Jahre Abitur am TI“ gemeinsam mit allen betroffenen Partnern neue, zukunftsorientierte Perspektiven für eine bisher vielfach verkannte Ausbildung aufzeigen und die Verzahnung zwischen schulischer Laufbahn und beruflichem Profil festigen. Und alle Diskussionsteilnehmer teilten uneingeschränkt eine Meinung, die da lautet: „Ein technisches Abitur eröffnet hervorragende berufliche Perspektiven - für den Job wie fürs Weiterstudium. Setzen wir also gemeinsam auf diese Investition in den Standort Ostbelgien. Es lohnt sich… Für alle!“

In der Zwischenzeit bot sich von Seiten des Fördervereins BS-TI die Gelegenheit, weiterhin  drängende Fragen der TI-Fachlehrer Minister Oliver Paasch zu unterbreiten. Der Minister, der seit Beginn der laufenden Legislatur im Sommer 2009 neben dem Unterrichtswesen, der Schulinfrastruktur und der Forschung ebenfalls die Aus- und Weiterbildung im Mittelstand sowie die Beschäftigungspolitik zu seinen Zuständigkeiten zählt, ging nochmals ausführlich auf die diversen Aspekte ein, legte vor allem aber auch dar, was seit dem Diskussionsforum („wo durchaus vieles konkret und konstruktiv angesprochen und angestoßen worden ist“, O-Ton Oliver Paasch) von Seiten der Politik in die Wege geleitet wurde.

Das Gespräch führte Norbert Meyers (nemo.presse)


Hat es Sie nicht überrascht, dass Fachlehrer die Initiative ergriffen haben, das technische Abitur („Ausbildung zwischen Notstand und Perspektive“) im Rahmen eines Diskussionsforums öffentlich auf den Prüfstand  zu stellen?
Überrascht hat mich bestenfalls die Vorgehensweise, obwohl die Überlegungen in Fachlehrerkreisen mir durchaus bewusst waren. Von daher hat mich ein solches Forum gefreut, das es die Möglichkeit geboten hat, die Anliegen der technischen Ausbildungseinrichtungen öffentlich und zum Teil auch kontrovers zu diskutieren.

Zugleich eröffnete sich aber auch die Gelegenheit, für das breite Ausbildungsspektrum im technischen und berufsbildenden Bereich zu werben. Dies ganz besonders in einer Situation, in der wir mit einem unterdurchschnittlichen Interesse junger Menschen an Technik und Naturwissenschaften konfrontiert sind, was vor dem Hintergrund des Facharbeitermangels ein großes Problem darstellt.

Welche Erkenntnisse haben Sie, im Rückblick auf Initiative und Veranstaltung, konkret aus dem Forum gewonnen? Und welche nachfolgenden Auswirkungen hat das Forum für Ihren Tätigkeitsbereich mit sich gebracht?
Zunächst waren die Teilnehmer der Diskussion allesamt der Meinung, dass man viel früher als bislang der Fall die Naturwissenschaften und die Technik in die Unterrichte einbauen müsse. Hier können wir in der Zwischenzeit Vollzug melden, denn wir haben das Unterrichtsfach Naturwissenschaften/Technik im vergangenen Jahr eingeführt und über die Rahmenpläne als Lehrinhalt verpflichtend in allen Grundschulen sowie in der ersten Stufe aller Sekundarschulen verankert.

Auch war der Wunsch nach öffentlichen Sensibilisierungsaktionen zu vernehmen, um Schüler und Eltern über die technischen Berufe zu informieren und bestehende Vorurteile abzubauen. Auch hier hat es inzwischen eine ganze Reihe von Initiativen gegeben, wie den Girl’s Day, den Tag der Chemie, den Tag des Metalls… Um nur einige zu nennen, die es mit unseren Partnern, darunter auch der Studienkreis Schule & Wirtschaft, sicher fortzuführen gilt.

Was hat Sie im Rahmen der diversen Äußerungen betroffen gemacht?
Offensichtlichen Handlungsbedarf offenbarte seinerzeit auch die Feststellung, dass junge Menschen im Laufe des ersten Ausbildungsjahres oftmals zur Einsicht gelangten, sich für einen unpassenden Beruf entschieden zu haben, was sich auch an der hohen Anzahl der Lehrabbrecher im ersten Ausbildungsjahr bemerkbar machte.

Und welche Konsequenzen sollte das haben?
Um dem entgegenzuwirken, planen wir eine Reform der Berufsorientierung und der Studienwahlvorbereitung. Ein Rahmenplan ist in Ausarbeitung, der ein kohärentes System von der Grundschule bis hin zum Abitur vorsieht und diesen wichtigen Fragen einen festen Platz im Unterricht einräumt.

Kritisiert wurde seinerzeit ebenfalls die mangelnde Durchlässigkeit der Bildungssysteme ...
In der Tat ist dies ein Thema, das uns nicht neu ist. Deshalb war es uns zunächst ein großes Anliegen sicherzustellen, dass unseren Schülern und Lehrlingen der Weg zur Universität oder zur Hochschule nicht durch eine Entscheidung für eine berufliche oder technische Ausbildung verbaut wird. Künftig haben sowohl Inhaber eines technischen Abiturs als auch Gesellen die Möglichkeit, die Hochschulreife zu erlangen und damit eine akademische Laufbahn in Angriff zu nehmen.

Auf welche Klagen oder Kritiken haben Sie am unmittelbarsten reagiert?
Klagen über zu kleine Werkstätten, veraltete Maschinen, sicherheitstechnische Probleme… zeigten Handlungsnotwendigkeiten auf, denen wir unter anderem durch den Bau eines neuen und modernen Technologiezentrums am Technischen Institut sowie eines weiteren Zentrums am Eupener Robert-Schuman-Institut (in Synergie mit dem Eupener ZAWM) begegnen werden. Mit einem Umzug der Kfz- und Mechanikwerkstätten sowie des Schweißateliers am TI kann im Frühjahr 2011 gerechnet werden. Die Deutschsprachige Gemeinschaft beteiligt sich zu achtzig Prozent an dem 3,7 Millionen € teuren Projekt.

Und was ist sonst noch „in der Mache“?
Schließlich gehörte auch die vereinzelte Forderung nach einer Reduzierung der Klassengrößen zu den Erkenntnissen der Runde. Die Regierung ist auch hier dabei, eine weitere Verbesserung der Stundenkapitalregelung vorzunehmen, mit der Folge, dass das Technische Institut fast hundert Stunden hinzu erhalten wird, was in etwa fünf Vollzeitstellen entspricht. Außerdem wurden inzwischen weitere BVA-Kräfte für einzelne Projekte zur Verfügung gestellt. Dies alles reicht sicher noch nicht aus, kann aber einiges zur Entspannung beitragen.

Wo glauben Sie, liegt der Grund, dass nur wenige Abiturienten den Weg eines technischen Abiturs wählen, obwohl Technik erwiesenermaßen ein enormes Zukunftspotenzial hat?
Es bestehen zweifellos noch allzu viele Vorurteile. Eltern und Schüler haben oftmals überholte Vorstellungen von technischen Berufen, verbinden Technik immer noch mit Lärm, Schmutz, Kraftanstrengung… Obwohl der technische Fortschritt zu enormen Entwicklungen in diesen Bereichen beigetragen hat.

Auch wird die berufliche Perspektive im Anschluss an ein technisches Abitur vielfach unterschätzt. Ich darf in dem Zusammenhang daran erinnern, dass bis zu fünfundneunzig Prozent der Absolventen einer technischen Ausbildung innerhalb weniger Wochen einen Arbeitsplatz finden und dass es trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise kaum arbeitsuchende Absolventen einer technischen Ausbildung gibt.

Zudem ist, wie schon bemerkt, durch Studien wie IGLU nachgewiesen, dass das Interesse junger Menschen an Technik und Naturwissenschaften in der Deutschsprachigen Gemeinschaft leider noch unterdurchschnittlich ausgeprägt ist.

Würden Sie persönlich Jugendlichen in Ostbelgien ein technisches Abitur empfehlen?
Natürlich würde ich es aus den vorgenannten Gründen empfehlen, wobei selbstverständlich die Interessen und Fähigkeiten eines jeden Jugendlichen ausschlaggebend sein sollten. In der Grundschule und im weiteren Verlauf der schulischen Karriere wird es zunehmend darauf ankommen, die jungen Menschen zu befähigen, diese eigenen Interessen und Fertigkeiten zu erkennen und einzuschätzen sowie sie gleichsam über die Ausbildungsmöglichkeiten und Berufsbilder zu informieren, die zu diesen persönlichen Voraussetzungen passen.

Welchen Stellenwert nimmt das technische Abitur als Abschluss einer Sekundarstufe in Ihren Augen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ein?
Der Stellenwert müsste jedenfalls ein sehr hoher sein. Leider Gottes jedoch wird die technische Ausbildung mitunter immer noch als „Negativwahl“ eines Jugendlichen wahrgenommen, in dem leidigen Irrglauben, nur das allgemeinbildende Abitur führe zu attraktiven Chancen und Beschäftigungen. Diese Einschätzung stimmt aber nicht mit der Realität überein. Es bleibt deshalb unsere gemeinsame Herausforderung, die Attraktivität eines technischen Abiturs hervorzuheben.

In unserer kleinen Gemeinschaft lag die technische Ausbildung durch Schulen und Betriebe (ZAWM) lange Jahre in den Händen unterschiedlicher Ministerien. Wie war diese Situation zu rechtfertigen?
Diese Situation war nicht zu rechtfertigen. Deshalb haben wir dies auch, wie in der damaligen Runde versprochen, geändert. Zu den Zuständigkeiten des Unterrichtsministers zählt seit nunmehr einem Jahr auch die Verantwortung für die mittelständische Ausbildung.

Verfügt Ihr Kabinett über Personen mit Erfahrungen in den Bereichen Technik und Wissenschaften, damit Sie den besonderen Anforderungen einer technischen Ausbildung gerecht werden können?
Sicherlich verfügt das Unterrichtsministerium über Fachleute, die sich intensiv mit den Entwicklungsperspektiven des technischen Unterrichts befassen. Allerdings sind die Möglichkeiten des Ministeriums begrenzt. Deshalb arbeiten wir konkret und konsequent mit Experten und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland zusammen, unter anderem wenn es aktuell darum geht, Rahmenpläne für den technischen und berufsbildenden Unterricht zu erarbeiten.

An technischen Schulen tummeln sich immer mehr Schüler mit schulischen und sozialen Problemen an, wodurch diese Ausbildung allgemein ein schlechtes Image hat. Liegt dies daran, dass im allgemeinbildenden Unterricht nur Platz für die Musterschüler ist und/oder dass allgemein keine Differenzierung gemacht wird zwischen einer technischen Ausbildung in einer Übergangsabteilung, einer Qualifikation in einer technischen Abteilung und einer Qualifikation in einer beruflichen Abteilung?
Grundsätzlich sollten wir festhalten, dass alle Schulformen zunehmend mit dem Problem der Verhaltensauffälligkeiten konfrontiert sind. Aber in der Tat sind hier vielfältige Maßnahmen notwendig, um allen Schüler/innen einerseits eine angepasste Ausbildung zu ermöglichen und ihnen eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen, andererseits aber auch die Schulen in die Lage zu versetzen, mit diesen zunehmenden schulischen und sozialen Problemen umzugehen.

Wie gedenken Sie diesem Umstand konkret entgegenzuwirken?
Im neuen Förderdekret vom 11. Mai 2009 wurde etwa die sonderpädagogische Förderung von Schülern mit Anpassungsschwierigkeiten verankert. Zu den Aufgaben der sonderpädagogischen Förderung gehören u.a. die Befähigung der verhaltensauffälligen Schüler zum gemeinsamen Leben, Lernen und Handeln, ferner die Vermittlung von schulischen, sozialen und gesellschaftlichen Fertigkeiten und die Hilfestellung bei der Übernahme von Werten, Einstellungen und Haltungen.

Aber reicht das aus, um hier entschlossen und erfolgreich gegenzusteuern?
Nein, darüber hinaus müssen und werden wir in Form eines neuen Sekundarschuldekrets die Rahmenbedingungen verbessern für die Begleitung und das Unterrichten von Menschen mit Lernschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten. Insgesamt wird dieses Thema in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt unserer bildungspolitischen Arbeit sein. Die Politik darf und wird die Schulen mit diesem Problem nicht alleine lassen.

Mit der Zunahme an Schülern mit schulischen und sozialen Problemen besonders in den beruflichen Abteilungen steigen nicht nur die Anforderungen der Fachlehrer des praktischen Unterrichts. Wie wollen Sie dieser Entwicklung Rechnung tragen?
Parallel zu den gerade genannten Maßnahmen gibt es bereits sehr lobenswerte Initiativen in diesem Bereich, ich nenne hier nur das Time-Out-Projekt, das derzeit in Zusammenarbeit mit den Teilzeit-Zentren und der mittelständischen Ausbildung entsteht. Das Regionale Entwicklungskonzept (REK), das mit allen gesellschaftlich relevanten Kräften ausgearbeitet wurde und das die Regierung zur Grundlage ihres politischen Handelns in der laufenden Legislaturperiode machte, beschäftigt sich ebenfalls mit dieser Thematik. Davon ausgehend haben wir ein so genanntes „Zukunftsprojekt“ mit dem Titel „Learning by doing“ ausgearbeitet, das vor diesem Hintergrund die gezielte Weiterentwicklung einer praxisnahen Berufsausbildung betrifft.

Was erwarten Sie von der Industrie und den Schulen, damit der technische Unterricht zukunftsorientiert organisiert werden kann?
Ich werbe für eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft. Praxisnahe Ausbildung ist ein entscheidender Faktor für eine gute berufliche Perspektive. Einige interessante Modelle wurden ja bereits durch den Studienkreis Schule & Wirtschaft aufgezeigt. Ich denke, die Zusammenarbeit ist für beide Seiten gewinnbringend. In dem Zusammenhang bin ich in Übrigen sehr dankbar dafür, dass die Bereitschaft zur Ausbildung und zur Aufnahme von Praktikanten seitens der Unternehmen in Ostbelgien trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise derzeit ungebrochen hoch ist.


2008 Mai-Juni: 25 Jahre Abi am TI - 25 Jahre ET, EM und Kfz
Der Förderverein unterstützte die Initiativen zum 25 jährigen Jubiläum der TI-Abteilungen. Das Resultat konnte sich sehen lassen. Es gab zahlreiche Presse-Echos und auch im Bewusstsein der Eltern, der Schüler und der Unternehmer wurde eine Problematik aufgegriffen, die sicherlich manche Impulse, weit über das Jubiläum hinaus, für das technische Studium bewirkt hat und noch bringen wird.

„Technisches Abitur ... Eine Ausbildung zwischen Notstand und Perspektive“
Diskussionsrunde bei ACM auf Kaiserbaracke: Fachlehrer, Studenten, Unternehmer und Politiker beziehen Stellung zu der Herausforderung: „Sinn und Motivation einer technischen Ausbildung ... Gerade heute!“

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