Kommentar : Krieg in der Ukraine: der Klügere gibt (am besten) nach

Kommentar : Krieg in der Ukraine: der Klügere gibt (am besten) nach

Die Ukraine konnte in den letzten Tagen große Geländegewinne erringen. 6000 Quadratkilometer wurden mittlerweile von der russischen Armee befreit und wieder unter eigene Kontrolle gebracht. Dass so etwas passiert, damit hätte Wladimir Putin schon von Beginn des Krieges an mit rechnen können, ja sogar müssen. Denn wie schon in der Bibel steht, ist der David manchmal gar nicht so wehrlos, wie er anfangs erscheint. Und seine Verbündeten verstecken sich auch nicht so einfach hinter den Gaslieferengpässen, die drohten, aufzutreten.  

Dass der Winter hart wird, das konnten wir nicht erst zu Beginn des Krieges vorausahnen. Corona kommt auch mit seiner insgesamt 5. Variante wahrscheinlich genauso unvorhersehbar wie die anderen 4 Varianten davor. Lockdowns und sich zu Hause auf die Nerven gehen, Maskenpflicht und Homeoffice werden wahrscheinlich wieder zu einem Thema werden und Nachrichten können wieder anhand von 5 Minuten Recherche zwei Drittel ihrer Sendezeit nur mit Corona-Fakten füllen. Folgen des ganzen Spaßes sind steigende Preise, Querdenkerdemos von Leuten, die noch davon überzeugt sind, dass die Erde eine Scheibe ist und dass die immens ermüdende Person von Karl Lauterbach sein Comeback in jeder zweiten Talkshow halten wird. Und wer Karl Lauterbach aushält, für den sind die steigenden Gaspreise aufgrund des Krieges in der Ukraine auch nur eine Nebensache. 

Apropos Nebensache: Für solch eine wird Putin die Ukraine auch gehalten haben, als er Ende Februar das Land überfiel, um den Nazis und Biowaffenproduzenten (die es wahrscheinlich gar nicht gibt), endlich ein für alle Mal das Handwerk zu legen. Nach anfangs großen Geländegewinnen sind doch einige Überraschungen gelungen: Die Ukrainer schlagen sich viel besser, als erwartet, Europa ist sich für einmal in einem Thema einig und deutsche Militärausrüstung hat trotzdem noch genug Niveau, in einem Krieg eingesetzt zu werden, ohne die eigenen Leute zu töten. 

Nun wackelt der Goliath doch gewaltig. Aus dem Riesen wird so langsam ein normal Sterblicher, aus der übermächtigen Armee eine unorganisierte Söldnertruppe, die schon lange nicht mehr weiß, warum sie jetzt eigentlich genau nochmal die Ukraine überfallen haben. Von ihrem Präsidenten hörten sie, sie sollen die Nazis bekämpfen, doch überraschenderweise befinden wir uns nicht mehr 1945, als die Aussage, Nazis zu bekämpfen, noch ein allgemein anerkannter und geduldeter Kriegsgrund war.  

Putin verliert auch immer mehr Rückhalt in der Bevölkerung. Die Stimmen, die seinen Rücktritt fordern, werden immer lauter. So laut, dass sie sich gar nicht mehr mit den üblichen Methoden, Folter und Gefängnis unterdrücken lassen. Doch der vermeintliche Goliath gibt sich noch nicht geschlagen und hat eine weitere Mobilmachung angekündigt. Außerdem wird aus der „Spezialoperation“ nun ein wirklicher Kriegsfall, die lästige Nebensache ist doch zu einer kniffligen Aufgabe mutiert. Doch wozu das Ganze denn überhaupt noch? Putin versucht mit diesem eh schon mehr als verkorksten Krieg, seine eigene Haut zu retten und reitet sich immer weiter ins Schlamassel hinein. Denn seine Armee hat keine Lust mehr zu kämpfen, die Ukrainer verteidigen ihr Land mit allem, was sie haben und werden das auch in Zukunft mit Unterstützung des Westens tun. Europa hat Lösungen für den Gasstopp Russlands gefunden, mit Katar auch noch einen Partner, der sogar dieselben politischen Ansichten und Werte wie Russland vertritt. Russland konnte also adäquat ersetzt werden und steht nun ziemlich alleine da, ohne jemanden, der ihm in diesem Krieg noch zur Hilfe kommen könnte. Daher sollte Putin sich vielleicht ein Sprichwort zu Herzen nehmen, dass ich schon in meiner Kindheit gelernt habe: Der Klügere gibt nach. Und das wäre dann auch schon das einzige Mal in diesem ganzen Krieg, in dem Russland und Putin mal die Seite des Klügeren beziehen könnten. 

 Markus , 6.A