Jugendtheater Crombach spielte „Ruckzuck, rechtsum“ – Ein Kommentar

Jugendtheater Crombach spielte „Ruckzuck, rechtsum“ – Ein Kommentar

Dieses Kommentar spiegelt allein die Meinung des Autors wider.

Wenn Leute den Begriff Dorftheater verwenden, dann tun sie es zumeist, um den Mangel eigener qualitativer Ansprüche zu entschuldigen. Dorftheater werden belächelt. Unterstützt werden sie mehr als Akt der Loyalität, denn als Erweiterung des eigenen Horizontes. Insofern überraschen die „Crömjer“ jedes Jahr ihre Zuschauer und zeigen, dass Aufführungen von Laien mehr sein können, als Dorfzusammenhalt.

Die Drehbücher der Welt sind mannigfaltig: In Goethes Faust geht es um die Frage nach dem Wissen, die Räuber von Schiller wecken den Verdacht, dass Menschen über Intrigen und Manipulation hinausgehen können, und Dürrenmatt stellt den Zuschauer in seinen Physikern vor die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft.
Nun, wie steht es mit dem Stück der Crombacher Jugend, dass vom 27. Februar bis zum 6. März gespielt worden ist?
Auch hier wird gefragt. Was eben dazu führt, dass man sich die Mühe machen kann und sollte, diese Leistung zu würdigen. In „Ruckzuck, rechtsum“ geht es um Aufschwung eines totalitären2016 Jugendtheater Crombach -2 Herrschers, es geht um Verrat und Verleumdung, Ausgrenzung und Gewalt. Eine Maus wird von ihren Kameraden verstoßen, weil man ihr die Schuld anhängt, die Kellertür aufgelassen zu haben. In der Folge hätte die Katze das Haus betreten können, wenngleich es für die Existenz dieser Katze keinerlei Beweise gibt. Dennoch ergibt sich aus der Not eine Pflicht und der Drang nach einem Ideal, einem Führer, der mit aller notwendigen Härte sein Reich schützen muss.
Die Geschichte hat ein Vorbild: den Nationalsozialismus des Dritten Reiches. Auch hier verleumdete man eine Gruppe der Bevölkerung, machte sie verantwortlich für allerlei Hirngespinste. Schließlich befahl man ihre Vernichtung – in Gaskammern und mit Patronen.

Das gesehene Stück ruft uns in Erinnerung, wie wichtig es ist, eine klare Stellung gegen Parolen zu zeigen. Insbesondere in unser Gegenwart, wo von allen Seiten ein Rechtsruck bemerkbar wird.
Ist es nicht das, was unsere Vorfahren erkämpft haben? Sollte sich die Geschichte wiederholen, indem wir unsere modernen Grundwerte verraten und die Demokratie, dieses Geschenk vernichtender Kriege und gefallener Vorväter, als eine Floskel wahrnehmen? Die Antwort sollte klar sein: NEIN! Und eben das ruft uns dieses grandiose Jungendstück noch einmal in aller Deutlichkeit in Erinnerung! Man darf einer Gruppe nicht vertrauen, die Schuldzuweisungen auf andere überträgt. Sie profitieren von der einer Engstirnigkeit, die sie selbst den Menschen anerzogen haben.

Ein solches Thema von der Jugend zu sehen, die Ansätze zu spüren, dass sich mit dem Thema befasst wurde, dass sie es zu verstehen versuchen und letztlich in eine Form gießen, die von jedem wahrgenommen werden kann… Was will man mehr?
Das ist es doch, was Theater braucht: ein Verständnis, eine Umsicht in einem Thema und im Rücken die Nadel – das dauernde Piksen endlich seine eigene Meinung zu überdenken.
Eine Form von Dialog ist das Theater.

Diese Mitschüler und Leidensgenossen also in ihren Rollen sehen zu können, ließe mich keinen Moment daran zweifeln, herauszubrüllen: Ja, wir schaffen das! Wir sind ein demokratisches Europa, das sich seine Moralvorstellungen nicht von Finanzministern diktieren lässt. Und dennoch hadere ich…
Mauern werden errichtet und Journalisten eingeschränkt. Alles mit dem Ziel Sicherheit. Sicherheit zu welchem Preis? Und wer hat die Bedrohung festgelegt? Warum ist Fremdsein eine Bedrohung?

Vielleicht wachen wir alle auf und stellen es fest, vielleicht aber auch erst unsere Kinder, die dann fragen: Warum habt ihr nichts getan? So wie es die Generationen vor uns getan haben. Und vielleicht werden auch wir antworten: Als wir durchschaut hatten, in welcher Perversion wir lebten, waren wir Sklaven unserer eigenen Wünsche. Wir hatten selbst die Ketten geschlagen, die uns knebelten. Wir sind die Verräter – uns haben wir verraten.

Christopher Lee Stokes