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75 Jahre Bischöfliche Schule St.Vith
Direktor Engelbert Cremer schreibt zum Anlass: Ein kurzer Rück- und Ausblick
Im Schuljahr 2006/2007 besteht die Bischöfliche Schule seit 75
Jahren. Es war eine bewegte Zeit, gekennzeichnet vom 2. Weltkrieg, vom
Wiederaufbau und von tiefgreifendem gesellschaftlichen Wandel. Was
viele nicht wissen oder auch vergessen haben, ist, dass unsere Schule
entstanden ist und getragen wurde durch den Einsatz vieler Priester und
des Bistums. Die Priester unterrichteten nicht nur, sie gaben auch ihr
Gehalt ab, um diese Schule aufzubauen und zu unterhalten. Dies lag im
Sinne der christlichen Tradition: breiten Bevölkerungsschichten Bildung
und Ausbildung zu ermöglichen.
Unsere Schule hat in der belgischen Eifel vielen Jugendlichen neue
Zukunftsperspektiven ermöglicht und auch gesellschaftspolitisch ihre
Spuren hinterlassen, weil sie sich unserer Gegend immer verpflichtet
fühlte und fühlt.
Sieht man auf diese 75 Jahre zurück, so sind diese auch geprägt von
einem rasanten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel.
Es ist noch keine 50 Jahre her, da war es den wenigsten
jungen Menschen unserer Gegend vergönnt, studieren zu dürfen, weil
einfach die Mittel fehlten. Heute ist jedem diese Möglichkeit eröffnet. Es
ist noch keine 40 Jahre her, da gab es in den meisten Häusern keinen
Fernseher, keine Zentralheizung, keine Badezimmer, geschweige ein Auto.
Heute ist dies Standard. Es ist noch keine 20 Jahre her, da war für
die meisten PC ein Fremdwort. Vor 10 Jahren sprach kaum jemand vom
„Internet“. Heute wird der Alltag von diesen Technologien bestimmt. Und so könnte man die Beispiele aneinander reihen.
Einhergehend mit diesen Entwicklungen ist ein Wertewandel verbunden.
Feste Strukturen wie Familie, Dorf, Kirche als gesellschaftliche,
religiöse wertevermittelnde Bindeglieder verlieren an Bedeutung, was
oft zu Orientierungs- und Perspektivlosigkeit führt. Falsch
verstandene Globalisierung , die Gewinnoptimierung als einzige
Zielvorgabe sieht, lässt Menschen und ihre Schicksale in den
Hintergrund treten, wo der Einzelne wenig gilt und sich hilf- und
schutzlos vorkommt.
In diesem Kontext stehen Schulen heute.
Die Bildung, die auf christlichen Grundwerten beruht, die Gott- und
Menschenbild zum Zentrum des Denkens macht, gerät unter Druck, wird in
den Hintergrund gedrängt. Jede gesellschaftliche Krise wird zur Krise
der Schule. Und Schulen werden aufgefordert diese zu lösen, was diese
eindeutig überfordert. In öffentlichen Diskussionen werden zwei
Begriffe oft miteinander verwechselt oder untereinander ausgetauscht .
Diese Begriffe sind Bildung und Ausbildung. In der Ausbildung werden
Grundfertigkeiten vermittelt, die absolut notwendig sind, die auch
Voraussetzung sind, um Bildung zu erwerben. Es gilt also nicht, das
eine gegen das andere auszuspielen. Ausbildung ist zielorientiert,
zweckorientiert und auf Effizienz bedacht. Bildung orientiert sich an
Werten: Bildung achtet im Wesentlichen darauf, dass der Mensch sich der
Geschichtlichkeit seiner eigenen Existenz bewusst ist, dass Fragen nach
dem Sinn des Lebens philosophisches Denkvermögen fordern, dass
Verständigung höher zu werten ist als Kommunikation, dass Bereitschaft
zur Selbstverantwortung und Verantwortung der res publica gepflegt
werden müssen, dass jede Unmenschlichkeit abgewehrt werden muss, dass
man befähigt ist, Glück wahr zu nehmen (H.v. Hentig).
Der Erhalt einer menschenwürdigen Gesellschaft, das harmonische
Sozialgefüge, ein sinnerfülltes Leben, die Würde des Menschen, all das
hat maßgeblich mit Bildung im obigen Sinn zu tun. Die Symbiose von
Bildung und Ausbildung muss uns gelingen, damit unsere Welt, unsere
Gesellschaft überleben kann. Hier ist Schule im Höchstmaß gefordert und
es gilt den Stellenwert jener Fächer, von denen allzu leicht behauptet
wird, dass sie nichts nützen, hochzuhalten, ich denke an Religion,
Geschichte, Literatur, Latein, Kunst und ethische Exkurse in
naturwissenschaftlichen Fächern, u.a. In einer materialistisch
ausgerichteten Welt ist es gewiss nicht populär, diesen Standpunkt zu
vertreten, allerdings bin ich der Überzeugung, dass sich viele Fragen
der heutigen Gesellschaft nur über diesen Weg der Symbiose beantworten
lassen: die Frage der Gewalt, der sozialen Ausgrenzung, des würdigen
Zusammenlebens, des demokratischen Selbstverständnisses, des Rechts auf
Unversehrtheit und Menschenwürde, der gerechten Verteilung der
Ressourcen, u.v.a.m..... Dies ist die größte Herausforderung, der sich
Schule heute stellen muss. Ich wünsche unserer Schule, dass sie sich
dieser Herausforderung stellt: das sind wir den jungen Menschen
schuldig und ich wünsche, dass sich alle ihr stellen: das sind wir der
Menschheit schuldig.
Es ist wichtig für die Zukunft aller, dass das „Sein“ dem „Haben“ und „Machen“ auf Augenhöhe gegenübersteht.
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