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Ein Beitrag von Dominik Piront

Facebook, Google, das iPhone und die Schule



Aus dem Alltag der jüngeren Generationen sind sie nicht mehr wegzudenken: Smartphones, Computer, Tablets, soziale Netzwerke oder auch Spielekonsolen. Auch wenn das Schulwesen gesellschaftlichen Entwicklungen bisweilen hinterherhinkt, ist der Einzug und Einfluss der erwähnten Technologien auch an unserer Schule stetig stärker zu spüren.  An dieser Stelle möchte ich nicht auf die positiven oder negativen Einflüsse der besagten Technik auf die Schulleistungen der Schüler eingehen.  Zu diesem Thema gibt es reichliche, wenn auch widersprüchliche Aussagen aus berufenerem Munde.  Allerdings wurde mir – besonders nach der DG-weiten Einführung der Lernplattform „Fronter“ und von Tablets im Geschichtsunterricht sowie einiger Erlebnisse mit meinen Schülern - erneut deutlich bewusst, welche Herausforderungen der rasante Technologiewandel für Schüler, Eltern, das Lehrpersonal und die Bildungspolitiker mit sich bringt.  Im Folgenden werde ich aus meiner Sicht als Lehrer an BS und TI einige dieser Herausforderungen benennen.

Herausforderung 1: Die Überwindung des „digitalen Grabens“

Viele Eltern und Kollegen kennen die Situation: Mit ihren Kindern, Jugendlichen oder auch jüngeren Kollegen stehen sie einer Generation von „digital natives“ gegenüber, einer Generation, die mit den neuen Technologien aufgewachsen ist, diese scheinbar spielend beherrscht und deshalb in dieser Hinsicht den Älteren überlegen zu sein scheint. Dieser digitale Graben macht teilweise Angst und ruft vielerlei Reaktionen hervor, die durchaus nachvollziehbar sind. 

Da gibt es bei den Kollegen – und sicherlich auch bei den Eltern - viele, die sich „nicht für Computerzeug“ interessieren. Die Gründe dafür sind vielschichtig.  Etwas weiter gehen diejenigen, für die Informationstechnologie Teufelszeug ist, das für viele Missstände bei der Motivation und Schulleistung der Kinder und Jugendlichen verantwortlich gemacht wird. Hier wird sogar bisweilen aktiver oder passiver Widerstand geleistet. Die Gruppe der offenen Geister ist natürlich auch vertreten; sie sieht sich aber oft von der Technik überfordert und muss ständig auf Hilfe und Anleitung zurückgreifen und häufig dafür bezahlen. Andere wiederum sind selbst mit der Computertechnik aufgewachsen oder haben im Nachhinein gewisse Kenntnisse erworben. Ihnen fällt die dankbare Aufgabe zu, sich gleichzeitig mit Totalverweigerern auseinanderzusetzen und den Aufgeschlossenen Hilfe zu leisten, wo es denn möglich ist.

Unabhängig von der persönlichen Einstellung zu den Technologien des 21. Jahrhunderts gilt meiner Meinung nach: Wir müssen als Lehrer und Eltern den digitalen Graben erkennen, uns mit ihm befassen und ihn zumindest teilweise überwinden. Als Erziehungsberechtigte haben wir die Aufgabe, unsere Kinder im Rahmen unserer Möglichkeiten auf das Leben und „die Welt da draußen“ vorzubereiten.  Ein Teil dieser Welt und der Lebenswelt unserer Kinder ist die digitale Welt, ob wir dies wollen oder nicht. Diese Welt bietet einerseits noch nie da gewesene Chancen, die wir aufzeigen müssen, andererseits lauern Gefahren, gegen die wir unsere Kinder und Jugendlichen rüsten müssen.  Dies zu unterlassen wäre fahrlässig und töricht. Es stellen sich also zwei weitere Herausforderungen.

Herausforderung 2: Chancen aufzeigen – vom Medienkonsum zum kreativen Umgang

Oft konsumieren unsere Jugendlichen leider das Internet und auch die vielen Angebote der Unterhaltungsindustrie, die das Internet als Medium nutzen, auf passive Art und Weise. Geräte wie PC oder Smartphone verkommen dabei zu reiner Unterhaltungselektronik. Die moderne Technologie gibt uns allerdings Werkzeuge an die Hand, wie sie keine Generation vorher gekannt hat. Diese Chance gilt es, zu erkennen und zu nutzen.

Da ist zunächst einmal die Tatsache zu erwähnen, dass durch das Internet das Wissen der Menschheit fast in seiner Gesamtheit für jeden ständig verfügbar ist.  Dies ist eine Revolution sondergleichen.  Wissen ist nicht mehr das Privileg einiger Eingeweihter, die in der Form eines Lehrers oder Professors als Wissensvermittler auftreten oder die ihr Wissen gar in bare Münze umwandeln wollen.  Für die Schule bedeutet dies, dass die reine Vermittlung von Wissen, das „Beibringen“ in den Hintergrund treten muss, und dies zugunsten einer Pädagogik, die darauf ausgelegt ist, das verfügbare Wissen zu verstehen, zu filtern, zu sortieren, zu verknüpfen und anzuwenden.  Kurz: Das Internet stellt eine kopernikanische Wende im Verhältnis zwischen Mensch und Wissen dar.

Das Internet ist nicht nur eine Quelle des Wissens, sondern auch die mächtigste Kommunikationsplattform, die je existiert hat. Sie gestattet dadurch kollektives Arbeiten an Projekten, die ein Einzelner oder eine kleine Gruppe nicht stemmen kann.  Beispiele sind das Onlinelexikon „Wikipedia“, der Linux-Kernel oder der arabische Frühling.

Das Internet ist zusätzlich dazu ein Kommunikationskanal. Was früher für viele ein unerschwinglicher Traum war, ist nun Wirklichkeit geworden: Eine eigene Zeitung gründen? Kein Problem! Ohne große technische Kenntnisse lässt sich eine Webseite bzw. ein Blog erstellen mit der ganzen Welt als potenzielle Leserschaft. Ein eigener Fernsehsender? Oder doch lieber Radio? Kein Problem: YouTube, SoundCloud, usw. machen es möglich!

Der Computer ist ein kreatives digitales Schweizer Taschenmesser. Jeder, der per Hand und Schreibmaschine einen längeren Text oder gar eine Abschlussarbeit verfasst hat, kann einschätzen, welche Arbeitserleichterung eine gängige Textverarbeitung darstellt. Eine Videokamera und die entsprechende Software verwandeln den Rechner in ein Filmstudio, eine digitale Fotokamera und ein Grafikprogramm machen aus dem PC ein Fotostudio.  Musikalisch Begabte verwandeln ihren Computer in ein Tonstudio. Wir leben im kreativen Schlaraffenland, nur wissen wir es oft nicht. Es wird noch besser: Hohe Kosten setzen der Kreativität kaum mehr Grenzen.  Computer sind erschwinglich und für alle Kreativbereiche bietet die weltweite Gemeinschaft kreativer Programmierer freie und kostenlose Software an.

Nicht zuletzt stellt die IT-Branche einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar, dessen Bedeutung sicherlich weiterhin zunehmen wird. Computer- oder gar Programmierkenntnisse sind Türöffner zum Arbeitsmarkt und oft Grundbedingung für eine Vielzahl von Jobs.

Herausforderung 3: Gefahren erkennen - vom Medienkonsum zum kritischen Umgang

Für Kinder und Jugendliche besteht ein großes Risiko darin, dass sie zum unkritischen Konsumenten der neuen Technologien verkommen. Die Beispiele sind bekannt: Zielloses Surfen, Betrachten von „Schrottvideos“ auf Youtube, Onlineshopping oder 24-Stunden-Nutzung von Facebook, die oft von belanglosem Chatten und sinnlosen Spielchen geprägt ist. Schlimmstenfalls geben unsere Schüler privateste Dinge preis und werden Opfer von Online-Mobbing oder sexueller Belästigung. In diesem Zusammenhang spielen die Themen Privatsphäre und Jugendschutz eine große Rolle.  Unsere Kinder und Jugendlichen kommen im Netz zwangsläufig mit Inhalten (Pornografie, Gewalt,...) in Kontakt, die selbst die Vorstellungen einiger Eltern und Lehrer übersteigen. Dieser Verletzung des Jugendschutzes stehen wir leider oft machtlos gegenüber. Leider sind andererseits viele Eltern manchmal dabei behilflich, den Jugendschutz zu umgehen und in diesem Zusammenhang kommen wir zur leidigen Problematik des exzessiven „Zockens“ an PC oder Konsole. Es ist für mich persönlich erschreckend zu beobachten, dass sehr viele minderjährige, vor allem männliche Schüler ihre Freizeit mit Spielen verbringen, die wegen des Inhalts erst ab 18 zugelassen sind. Hier gilt: Schau hin, was du deinem Sohn kaufst, und was er spielt!

Achten wir als Eltern und Lehrer darauf, dass unsere Privatsphäre und die unserer Kinder bzw. Schüler nicht verletzt wird? Wie kann man das überhaupt? Wie schütze ich mich vor Spähprogrammen, Viren und Trojanern? Wie schütze ich mich davor, dass meine Kinder sich krimineller Handlungen (illegale Downloads) schuldig machen, für die ich haftbar bin? Fragen über Fragen, aber wer bietet Antworten?

Herausforderung 4: Bildungspolitik im Bereich der Informationstechnologie -für Schüler, Eltern und Lehrer

Die Schule und die Bildungspolitiker müssen ganz klar erkennen und bekennen: Auch wenn ich als Schüler, Lehrkraft oder Elternteil Antworten auf oben genannte Fragen suche, in der Schule werde ich sie nicht unbedingt finden! Es gibt keine Gesamtkonzepte für den Bereich der Informatik oder der Welt des Internets.

Für die Schüler und Schülerinnen hat dies Folgen: Einen verpflichtenden Informatikunterricht für Gymnasium, technische und berufliche Klassen, der die gesamte Sekundarschule umrahmt und mehr beinhaltet als die bloße Handhabung einer Textverarbeitung oder einer speziellen Software im technischen Bereich, gibt es nicht. Am Technischen Institut wird der PC natürlich hauptsächlich im Hinblick auf das Erlernen bestimmter Software (z.B. CAD) verwendet und dies mit Hinblick auf die Berufsausbildung. Es existieren allerdings keinerlei Rahmenpläne, keine bildungspolitischen Konzepte und keine Visionen für ein Fach, das sich vollumfänglich dem Umgang mit Informationstechnologie widmet. Fachlehrer gibt es ebenso wenig und sie wären wohl auch kaum zu finden. PC und Internetnutzung sind oft nur dann Teil des Unterrichts, wenn eine Lehrkraft bereit ist, diese Werkzeuge zu integrieren. Konkrete Ausnahmen am Gymnasium sind der Informatikunterricht im 2. und teilweise der Medienkundeunterricht im 5. und 6. Jahr des Gymnasiums.  Es herrscht also häufig das Prinzip Zufall. Hier ist die Politik gefordert in der Entwicklung eines Gesamtkonzepts zum Wohle der Schüler und Schülerinnen.

Aber auch Eltern und Lehrer suchen noch oft vergeblich nach Brücken, die dabei helfen können, den digitalen Graben zu überwinden. Praxisorientierte Kurse für Lehrer und Eltern? Größtenteils Fehlanzeige!

Lösungsansätze für folgende konkreten Fragen müssten solche Kurse anbieten:
•    Wie kann ich meinen PC vor Schadsoftware schützen?
•    Wie kann ich einen PC so einrichten, dass der Jugendschutz für meine Kinder gewährleistet ist?
•    Wie kann ich meinen PC mit einer „Kindersicherung“ ausstatten und dessen Nutzung einschränken?
•    Wie sichere ich meinen Browser ab?
•    Wie spreche ich Themen wie Gewalt und Pornografie im Internet an?
•    Wie schütze ich die Privatsphäre meines Kindes im Netz?
•    Welche kostenlose Software gibt es für die verschiedenen kreativen Anwendungsbereiche?
•    Welche Alternativen gibt es zu unsicherer Software? (Windows, Android,...)
•    Legal, illegal, scheißegal? Was ist erlaubt im Netz und was nicht? Was könnte mein Kind „verbrechen“? Inwiefern haften Eltern für ihre Kinder?
•    Wie gehe ich mit exzessivem Spielen um?
•    Wie funktionieren soziale Netzwerke?
•    Was ist Cybermobbing?
•    …

Auch an dieser Stelle wäre die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts erstrebenswert, wobei an unserer Schule sicherlich auf Ressourcen in der Lehrerschaft zurückgegriffen werden kann. So gibt es z.B. an unserer Schule einen Medienkundeunterricht, der das Thema anspricht.

Herausforderung 5: Finanzierung und Wartung der Infrastruktur – Finanzierung statt Ausrüstung, interne statt externe Wartung

Die Infrastrukturen vor Ort für die gesamte Schulgemeinschaft wären inexistent, veraltet oder technisch minderwertig, könnte unsere Schule diesem Problem nicht durch großzügige Privatspenden von Förderverein (Ehemalige, Lehrer, Eltern) oder aus der Privatwirtschaft entgegenwirken. Dank dieser Unterstützung sind BS und TI, was die Infrastrukturen angeht, ganz gut aufgestellt.  Alleine der Förderverein zeichnet für die Internetpräsenz der Schule, die Ausstattung von einem Dutzend Räumen mit Beamern und Laptops und die Anschaffung digitaler Tafeln sowie Videokameras verantwortlich.  Nicht zu vergessen ist die Unterstützung der neuen Schülerzeitung „Farbstift“, die in Form eines Weblogs erscheint.

Von staatlicher Seite kommt den Schulen natürlich indirekte Hilfe durch Mitfinanzierung zuteil. Diese Mittel können wir zielgerichtet einsetzen.  Bei direkten Projekten sieht die Sache oft anders aus.  Da wäre zunächst das wallonische Projekt der „Cyberklassen“ zu nennen.  Wenn man weiß, dass die Schulen sieben Jahre (sic!) auf neue Rechner warten mussten und dieses Projekt nicht weitergeführt werden wird, erübrigt sich jeder Kommentar. Die Wartezeit wurde in Eigenregie mit Rechnern überbrückt, die von Privatunternehmen ausgemustert worden waren.

Das Unterrichtsministerium der DG seinerseits hat in diesem Schuljahr die Lernplattform „Fronter“ und die Tablets für den Geschichtsunterricht flächendeckend eingeführt.  Beide Neuerungen sind noch von zahlreichen Kinderkrankheiten geplagt, wobei allerdings Hoffnung auf Genesung besteht.  Allerdings zeigt das Beispiel des Onlinecampus „Fronter“, wie sehr oft an den Bedürfnissen der Schulen vorbeisubventioniert wird.  Bereits sechs Jahre vor „Fronter“ hatten wir an BS und TI eine freie Lernplattform in Gebrauch genommen, die keinerlei Kosten und Verwaltungsaufwand erzeugt und der teuren, kommerziellen Softwarelösung „Fronter“ technisch überlegen ist.  Guter Wille besteht also, aber es fehlt oft an Weitsicht und leider auch den nötigen Begleitmaßnahmen (konkrete Einweisung in die Programme, Benutzung der Plattform, praxisorientierte Schulung der Lehrkräfte und Schüler, Wartung der Geräte,... ).

Ob Wallonische Region oder DG: Vieles bleibt leider nur oft kostenintensives, aber wenig ausgereiftes Stückwerk. Für uns als Schule, die seit Jahren Projekte in Eigenregie verwirklicht, ist eine direkte Unterstützung mit finanziellen Mitteln wesentlich sinnvoller, als von flächendeckenden Maßnahmen beglückt zu werden. Dies ist bei anderen Schulen wahrscheinlich nicht der Fall.  Es wäre deshalb sinnvoll, die Wahl zwischen direkter Finanzierung und flächendeckender Ausstattung mit IT-Infrastruktur von außen zu haben.

Neben der Ausstattung stellt die zunehmend komplexer werdende Wartung der gesamten Infrastruktur ein zusätzliches Problem dar. An unserer Schule leistet größtenteils eine Person, Andreas Hock, diese Arbeit. Allerdings handelt es sich bei unserem Informatiker, Andreas, offiziell um einen Lehrer. Seine Stunden fallen demnach zulasten des Stundenkapitals.  Die gesamte anfallende Arbeit ist nur durch zahlreiche Überstunden und großen Idealismus zu bewältigen.  Die Anstellung eines Informatikers vor Ort, eines zweiten Hausmeisters, der die eigene, maßgeschneiderte Infrastruktur instand hält, wäre - jedenfalls für unsere Schule - wesentlich sinnvoller als das Zurückgreifen auf externe Fachkräfte, das eine Ausstattung mit Material „von oben“ eben mit sich bringt.  Die Finanzierung dafür wäre zumindest zum Teil gesichert gewesen, hätte man das Geld, das in Fronter geflossen ist, durch die Nutzung einer freien Lernplattform eingespart.

Schlussfolgernd gilt also: Chancen nutzen, Gefahren erkennen, Bildungskonzepte ausarbeiten, Schulen maßgeschneidert unterstützen, und dies alles zum Wohle von Schülern, Eltern und Lehrern.