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Heinrich Böll: Die Waage der Baleks

1.Inhaltsangabe

·Die Geschichte spielt in einem böhmischen Bauerndorf um das Jahr 1899-1900. Die armen, aber zufriedenen Dorfbewohner müssen seit Generationen für die Baleks, die herrschende Adelsfamilie, Flachs brechen, ihnen Pilze und Kräuter bringen, wofür sie von ihnen - wenn auch dürftig - bezahlt werden.

·Die Baleks besitzen als einzige eine Waage, mit der sie die von den Dorfbewohnern gesammelten Kräuter und Pilze wiegen und nach Gewicht bezahlen. Den Dorfbewohnern aber ist es strikt verboten, selbst im Besitz einer Waage zu sein.

·Ein zwölfjähriger Junge (Großvater des Erzählers) ist jedoch mutiger und wagt es, die Ehrlichkeit der Baleks zu überprüfen. Als die Baleks in den Adelsstand erhoben werden sollen und fortan Baleks von Bilgan heißen sollen, schenken sie jeder Familie ein achtel Kilo Kaffee. Als der Junge für seine und drei benachbarte Familien den Kaffee abholt, nutzt er die Abwesenheit der Magd, um die vier Pakete Kaffe gegen ein Halbkilogewicht, das auf der Waage liegt, aufzuwiegen. Dabei entdeckt er, dass die Waage falsch geht. Mit Kieselsteinen füllt er das fehlende Gewicht auf, dann geht er den weiten Weg in ein Nachbardorf zu einem Apotheker, um sich die Steine wiegen zu lassen: An der Gerechtigkeit fehlen genau 55 Gramm. Am Abend berichtet er seiner Familie von seiner Entdeckung.

·Am nächsten Morgen beim Festgottesdienst merken die Baleks beim Betreten der Kirche, dass etwas nicht stimmt: Alle sehen sie an, und alle singen gemeinsam „Gerechtigkeit der Erden, o Herr, hat dich getötet“. Es kommt zum Aufruhr, der die gesamte Umgebung erfasst, es werden sogar Menschen getötet (die Schwester des Großvaters, ein Polizist). Durch das Eingreifen der Polizei wird die alte Ordnung am Ende wieder hergestellt.

·Die Eltern des Großvaters müssen das Dorf verlassen und erfahren, dass es überall in der Welt ungerecht zugeht: Keiner will ihre Geschichte von den Baleks hören.

2.Interpretation

·Thema der Kurzgeschichte: die Gerechtigkeit

-Unterdrückung, Ausbeutung der Dorfbewohner durch die Baleks

-Ein Zwölfjähriger hat Zweifel, überprüft die Waage, entlarvt die Ungerechtigkeit.

-Es kommt zum Aufstand, d.h. die Dorfbewohner u.a. wehren sich.

-Ende: Wiederherstellung der alten Ordnung (ziemlich pessimistische Sicht)

·Spannungsbogen entspricht dieser Einteilung: Unterdrückung seit fünf Generationen (wenig Spannung), Entlarvung der Waage durch den Jungen und allgemeiner Aufruhr (Höhepunkt der Spannung), am Ende sinkt die Spannungskurve wieder.

·Figuren

-Zwei Gruppen: Dorfbewohner (arme Leute), Baleks (reiche Adlige, Unterdrücker)

-Hauptfigur: der zwölfjährige Junge (intelligenter, mutiger als die anderen), der Großvater des Erzählers.

·Aktualität des Themas

-Auf den ersten Blick: weit entfernte Zeit, weit entfernter Ort (um 1900, Böhmen)

-Dennoch bleibt die Kernaussage aktuell: Gerechtigkeit kann auf Dauer nicht existieren. Um sie zu erreichen, muss man sich auflehnen.. Aber oft bleibt die alte Ungerechtigkeit zum Teil oder ganz erhalten. Gerechtigkeit muss immer neu erkämpft werden (siehe heute in der Dritten Welt, aber auch bei uns).